Klare Worte – Ende der Abfalleigenschaft

In einer sehr bemerkenswerten Gerichtsentscheidung (12 Cs 19.2509) hat sich der für das Abfallrecht seit dem 01.01.2020 neu zuständige 12. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht nur zum Ende der Abfalleigenschaft von Teppichbodenstanzresten aus der Automobilindustrie als Reitbodenbelag für Pferde geäußert, sondern in sehr drastischen Worten auch zu der mittlerweile weit verbreiteten Behördenpraxis „im Zweifelsfall“ die Abfalleigenschaft von Stoffen und Gegenständen zu unterstellen.

Zunächst hat das Gericht zutreffend klargestellt, dass die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes bei Vorliegen der in § 5 Abs. 1 KrWG normierten Voraussetzungen endet, ohne dass es dazu einer konstitutiven Feststellung durch Verwaltungsakt bedarf. Falls eine Behörde etwa durch Verwaltungsakt das Fortbestehen der Abfalleigenschaft regeln wolle, trage die Behörde insoweit auch die materielle Beweislast. Etwas anderes gelte nur für den Fall, wenn etwa ein Unternehmen von der Behörde einen „Produktanerkennungsbescheid“ begehre. Ferner stehe auch das Fehlen besonderer technischer Anforderungen oder Normen dem Ende der Abfalleigenschaft nicht entgegen.

Zur Frage des Endes der Abfalleigenschaft führt das Gericht in aller Deutlichkeit weiter aus, dass allein die Vermutung, bei der seit Jahren praktizierten Verwendung des Reitbodenbelages könnten „Schäden für Mensch und Umwelt […] nicht ausgeschlossen werden“, nichts anderes sei als eine abfallrechtlich unzulässige Risikovorsorge „ins Blaue“ hinein bzw. die bloße Behauptung einer „abstrakten (apokryphen) Gefahrenlage“, sozusagen die Annahme einer „reinen Putativgefahr“. Es sei ausgeschlossen, auf solche Annahmen eine sofort vollziehbare Entsorgungsanordnung zu stützen. Die Behörde sei – wie gesagt – beweispflichtig für das Vorliegen der Voraussetzungen der Abfalleigenschaft der Teppichreste. Vorgelegte Sachverständigengutachten, die die Unbedenklichkeit der Verwendung des Reitbodenbelages belegen, könnten nicht einfach durch Stellungnahmen und „Mutmaßungen sog. ‚Fachbeamter‘“ widerlegt werden. Im Endeffekt habe die Behörde im vorliegenden Fall nicht den Beweis geführt, dass die Teppichreste noch Abfall seien, eine Entsorgungsanordnung unter Sofortvollzug und mit Zwangsgeldandrohung könne daher keinen Bestand haben.

Im Ergebnis ist der Gerichtsbeschluss eine schallende Ohrfeige für die Vollzugsbehörden, die ihr Handeln immer häufiger auf einen bloßen Gefahrenverdacht stützen, um im Endeffekt „immer alles“ vermeintlich „richtig“ zu machen. Genau das ist aber nicht Sinn und Zweck des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts, das immer nur Anwendung findet, wenn ein konkreter Gefahrenbezug vorliegt. Die Gerichtsentscheidung ist in ihrer Klarheit nicht nur zu begrüßen, sie verdient vielmehr ausdrücklichen Beifall.

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Köln, 21.09.2020

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