Urbane Gebiete und Flüchtlingsunterbringung im Gewerbegebiet: Konflikte vorprogrammiert

Zuletzt hat der Gesetzgeber immer wieder auf aktuelle Entwicklungen reagiert, um neue Möglichkeiten zur Schaffung von Wohnraum zu eröffnen.

Zum einen ist die im Mai 2017 in die Baunutzungsverordnung eingeführte neue Gebietskategorie „Urbanes Gebiet“ zu erwähnen, die dann auch Eingang in die TA Lärm gefunden hat. Es handelt sich um ein Gebiet, in dem vor allem auch Wohngebäude zulässig sind, sowie die unterschiedliche Nutzung einzelner Geschosse zu Wohn- bzw. gewerblichen Zwecken. In Urbanen Gebieten gilt tagsüber ein Immissionsrichtwert von 63 dB(A), also knapp unter dem Richtwert eines Gewerbegebiets. Bislang war Wohnen allenfalls in Kern- oder Mischgebieten möglich, für die ein Immissionsrichtwert von 60 dB(A) gilt.

Ein ganz anderes Thema als die Modeerscheinung des urbanen Wohnens ist die Schaffung der Möglichkeit der Errichtung von Flüchtlingsunterkünften im Gewerbegebiet durch die Einführung der Regelung in § 246 Abs. 10 BauGB im November 2014. Inhaltlich handelt es sich um eine Befreiungsregelung, die unter bestimmten Voraussetzungen Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende in Gewerbegebieten ermöglicht. Die Geltung der Regelung ist zwar bis zum 31.12.2019 befristet, führt aber immer wieder zu Konflikten. So hat zum Beispiel der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil vom 14.02.2018 (9 BV 16.1694) entschieden, dass sich Bewohner solcher Unterkünfte mit den Immissionsbelastungen abfinden müssten, die generell in Gewerbegebieten zulässig sind. In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Gewerbebetrieb erfolglos gegen die Baugenehmigung für eine Flüchtlingsunterkunft eine Nachbarklage erhoben, weil er Einschränkungen in seinen Entwicklungsmöglichkeiten befürchtete.

Aus Sicht eines Gewerbebetriebes bedeuten beide zuvor aufgezeigten Entwicklungen bzw. Möglichkeiten, dass das Wohnen von Menschen in Gebieten ausnahmsweise zulässig sein kann, in denen das Wohnen vor Einführung der Neuregelungen aus Rechtsgründen grundsätzlich ausgeschlossen war. Dies gilt ganz unabhängig davon, dass Flüchtlingsunterkünfte nach herrschender Meinung als „Anlagen zur öffentlichen Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern2 regelmäßig nicht als Wohnnutzung, sondern „als Anlagen für soziale Zwecke“ eingestuft werden (zuletzt etwa VG Hamburg, Bes. v. 12.02.2016, Az.: 7 E 6816/15). Auch wenn sich die entsprechenden Bewohner solcher Gebiete mit erhöhten Immissionsbelastungen abfinden müssen, sind Konflikt- bzw. Beschwerdesituationen vorprogrammiert, die erfahrungsgemäß regelmäßig nicht zugunsten der Gewerbetreibenden ausgehen. Es empfiehlt sich daher, solche Ansiedelungen grundsätzlich einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen.

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Köln, 04.05.2018

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